Das Anforderungsprofil bildet die Grundlage einer jeden Beurteilung. Ein Management Audit ohne zuvor abgestimmtes Anforderungsprofil kann per se zu keinen sinnvollen Ergebnissen führen. Ein Anforderungsprofil wird auf Basis einer Anforderungsanalyse erstellt. Typischerweise werden nicht nur relevante Anforderungskriterien identifiziert (wobei eine Orientierung an einem ggf. vorhandenen, unternehmensspezifischen Kompetenzmodell sinnvoll sein kann), sondern es werden ggf. auch Gewichtungen und Soll-Ausprägungen (vgl. die Ausführungen zum BARS-Ansatz in der Beurteilung) festgelegt.
Zur Erstellung bzw. Abstimmung des Anforderungsprofils findet vor jedem Management Audit ein Austausch mit dem Auftraggeber über erfolgsentscheidende Anforderungen statt. Dies kann dermaßen erfolgen, dass z. B. erfolgsentscheidende Situationen identifiziert werden (vgl. die sog. critical incident technique) oder dass zur Zielerreichung notwendige Aufgaben und hiermit verbundene Verhaltenskompetenzen analysiert werden (vgl. die sog. target-task-analysis) oder/und dass orientiert an strategischen Herausforderungen zukünftig bedeutsame Anforderungen identifiziert werden (vgl. die Methode strategy deployment).
Der Einsatz von Arbeitsproben fußt auf der Erkenntnis, dass Verhaltenskompetenzen weniger nur über ein „bloßes“, vergangene Erfahrungen oder auch optionales Handeln in imaginären Situationen behandelndes „Darüber Sprechen“ (vgl. hierzu auch biographisches Interview) beurteilt werden können, sondern indem (vgl. Multimethodalität) erfolgsentscheidende Situationen relativ konkret „abgebildet“ werden. Auf diese Weise können zum einen vorhandene Kompetenzen direkt beobachtbar gemacht werden. Besonders wertvoll ist es, insbesondere nach entsprechenden Arbeitsproben gemeinsam mit dem Teilnehmer der „Brückenschlag“ in die Realität vorzunehmen. So sind im anschließenden Reflexionsgespräch gestellte Fragen wie „Was sagt das über Sie?“, „Wie würden Sie in der Realität agieren?“ hilfreich, um den Teilnehmer möglichst gut kennen zu lernen.)
Erste Erfahrungen mit der Assessment Center (kurz: AC) -Methode wurden bereits in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts gesammelt. Im modernen HR-Management ist es seit nunmehr mehr als 40 Jahren ein etabliertes Konzept, um Menschen über eine vergleichsweise sehr gute Relation von Aufwand und Ergebnisqualität intensiv und differenziert kennen zu lernen. Im Prinzip bedeutet dies, dass über unterschiedliche Beurteilungsmodule/Arbeitsproben aus möglichst verschiedenen Perspektiven mit Blick auf relevante Anforderungen von entsprechend geschulten Beobachtern Einschätzungen und Bewertungen vorgenommen werden. Typische Bestandteile sind ein teilstrukturiertes Interview, eine strategieorientierte oder eher operative Fallstudie, Übungen im kommunikativ-zwischenmenschlichen Bereich (simulierte Mitarbeiter-, Kollegen- oder Kundengespräche, Präsentationsaufgaben), psychometrische Fragebogen und Testverfahren, ggf. auch vorgelagerte Selbsteinschätzungen (vgl. 360°-Feedback-Verfahren) sowie ein – erstes – Feedback zum Ende hin. Die Ergebnisse werden idealerweise in schriftlichen Ergebnisberichten bzw. –gutachten zusammengefasst, die auch den Teilnehmern zur Verfügung gestellt werden.
(vgl. hierzu auch: Schuler, H. (1998). Psychologische Personalauswahl. Einführung in die Berufeignungsdiagnostik. (2. unveränderte Aufl.). Göttingen: Hogrefe, S. 118: Assessment Center ist der Name einer multiplen Verfahrenstechnik, zu der mehrere eignungsdiagnostische Instrumente oder leistungsrelevante Aufgaben zusammengestellt werden; Martin Kleinmann, M. (2003). Assessment-Center. Reihe Praxis der Personalpsychologie. Hogrefe, S. 1: Assessment Center sind multiple diagnostische Verfahren, welche systematische Verhaltensleistungen bzw. Verhaltensdefizite von Personen erfassen. Hierbei schätzen mehrere Beobachter gleichzeitig für einen oder mehreren Teilnehmer seine/ihre Leistungen nach festgelegten Regeln in Bezug auf vorab definierte Anforderungsdimensionen ein.
Eine an einem definierten, abgestimmten Beurteilungsmaßstab orientierte Bewertung bildet ein wesentliches, häufig nur unzulänglich reflektiertes und berücksichtigtes Qualitätsmerkmal guter Diagnostik (so findet sich häufig ein unreflektierter Vergleich mit anderen, also mit einem imaginären Durschnitt bzw. einer Norm). Den Erwartungswert, also diejenige Ausprägung einer relevanten, erfolgsentscheidenden Kompetenz, die für eine bestimmte Position notwendig ist, muss zu Beginn des Auswahl- und Bewertungsprozess festgelegt werden. Hierzu bietet eine Orientierung an Verhaltensankern eine sinnvolle, wenngleich nicht ohne Aufwand realisierbare Vorgehensweise. Dabei werden Ausprägungsgrade über Verhaltensanker, die die jeweilige Zunahme an Komplexität bzw. Schwierigkeit charakterisieren, beschrieben und dies bildet dann sog. „behaviour based rating scales“ (vgl. hierzu auch: Smith & Kendall. (1963). Re translation of expectations: An approach to the construction of unambiguous anchors to rating scales. Journal of Applied Psychology)
Wie lässt sich „Persönlichkeit“ strukturieren? Dies bildet seit vielen Jahrzehnten eine der zentralen Fragen der Persönlichkeitspsychologie. In der wissenschaftlichen Forschung wie in der betrieblichen Praxis ist eine Orientierung an 5 immer wieder stabil identifizierte Eigenschaften sehr etabliert: diese sind 1. Neurotizismus, 2. Extraversion, 3. Offenheit für Erfahrungen, 4. Gewissenhaftigkeit und 5. Verträglichkeit. Jede dieser Dimensionen kann in sechs Facetten differenziert werden (little 30).
Unter Development-Center (häufig in der Kurzform: DC) werden – in der Regel gruppenbasierte – Assessment-Verfahren subsummiert, die nicht zu Auswahlzwecken durchgeführt werden, sondern um Standortbestimmungen durchzuführen und Qualifizierungsbedarfe abzuleiten. Teilweise kommen in der Durchführung zusätzliche Module zum Einsatz, die auf Feedback und erstes Lernen bzw. Training ausgerichtet sind (so z. B. – ggf. videogestütztes – Zwischenfeedback nach ersten Arbeitsproben im kommunikativ-zwischenmenschlichen Bereich (z. B. nach einem ersten simulierten Mitarbeitergespräch) oder Trainingssequenzen am Abend des ersten Tages). Die methodischen Grundlagen von AC und DC sind weitestgehend identisch.
Wir wissen eigentlich schon einige Jahre, was gute Diagnostik ausmacht. Die diesbezüglichen, von einer breiten Fachcommunity getragenen Erkenntnisse wurden beginnend Ende des letzten Jahrhunderts in einer sog. Prozessnorm zusammen gefasst und bildet seit einigen Jahren eine sehr gute Orientierung, um gute von weniger guten Management Diagnostik zu unterscheiden (vgl. DIN. (2002). DIN 33430: Anforderungen an Verfahren und deren Einsatz bei berufs- bezogenen Eignungsbeurteilungen. Berlin: Beuth). Die hier definierten Prozessschritte sind auch für aestimamus handlungsleitend. Einzelnen Prozessschritten müssen ggf. im Abgleich mit auf prozess- oder unternehmensspezifischen Rahmenbedingungen oder im Bewusstsein um ggf. hiermit verbundene angepasst werden. Auf europäischer Ebene findet sich eine relative Entsprechung in der ISO 10667-1 und -2.
Das seit Mitte der 80er Jahre an der Assessment-Center-Methode orientierte Format der Einzelbegutachtungen bildet ein mittlerweile sehr etabliertes, in Bezug auf seinen Mehrwert für Unternehmen wie Teilnehmer sehr akzeptiertes ´state-of-the-art´-Instrumentarium, um Personalentscheidungen abzusichern. Im Grunde unterscheidet es sich vom Gruppen-Assessment dadurch, dass es auf einen Teilnehmer ausgerichtet ist. Es bietet eine deutlich bessere Relation von Aufwand und Ergebnisqualität nicht zuletzt dadurch, dass ein Kandidat an – i. d. R. – einem Tag sehr intensiv in unterschiedlichen Situationen beobachtet und bewertet werden kann. Die Intensität der Auseinandersetzung mit einer Person ist verständlicherweise deutlich höher, als dies mit einer größeren Anzahl an Kandidaten (z. B. 12) in einem 3-tägigen Gruppenverfahren der Fall sein kann. Der vermeintlichen Nachteil, dass keine Gruppen-Übungen bzw. –Diskussionen durchgeführt werden können, relativiert sich nicht zuletzt dadurch, dass Gruppenaufgaben insbesondere in exponierten Führungs- und Management-Funktionen selten erfolgsentscheidende Situationen (vgl. critical incident technique) darstellen (vgl. Flanagan, J. C. (1954). The critical incident technique. Psychological Bulletin). Typischerweise besteht ein Einzel-Assessment aus einem teilstrukturierten Interview, einer Arbeitsprobe im konzeptionell-strategischen Bereich (vgl. Fallstudie) und weiteren Arbeitsproben im kommunikativ-zwischenmenschlichen Bereich (simulierte Mitarbeiter-, Kunden-, Kollegengespräche oder auch Präsentationsübungen), dem Einsatz ausgewählter psychometrischer Verfahren (Persönlichkeitsfragebogen und/oder Leistungstests) und einem ersten Feedback. In Bezug auf den methodischen Zugang gibt es keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen Einzel-Assessment und Management-Audit bzw. Management-Appraisal. Häufig wird die Namenswahl durch interne oder externe Marketing-Überlegungen determiniert.
Wenn Beurteilungsverfahren aus der Perspektive des Teilnehmers keinen oder nur einen geringen Bezug zur beruflichen Praxis aufweisen, wenn sie aus welchen in der Person des Beurteilten liegenden Gründen auch immer nicht sinnvoll sind, werden die zu Beurteilenden ein anderes Verhalten realisieren, als wenn sie die Verfahren als sinnvoll und nützlich akzeptieren. Dies hat – nicht zuletzt mit Blick auf die Notwendigkeit, Management-Diagnostik-Prozesse immer auch mit Blick auf Marketing-Ziele zu gestalten – zur Folge, nach Möglichkeit solche Beurteilungsmodule einzusetzen, deren Sinnhaftigkeit in hohem Maße plausibel ist. Durchführer von Beurteilungsmaßnahmen dürfen so hoffen, mit größerer Wahrscheinlichkeit authentisches Verhalten beobachten zu können. Ist der Zweck eines Verfahrens nicht auf den ersten Blick plausibel, tut man gut daran, möglichst frühzeitig, intensiv und transparent über die Chancen, aber auch über die Limitationen, die mit dem Einsatz eines solchen Verfahrens verbunden sind, zu informieren. Manchmal ist es nämlich auch so, dass auch bzw. insbesondere dann, wenn keine Erfahrung mit einem bestimmten Auswahlinstrument vorliegt, nichts desto trotz auf Seiten des zu Beurteilenden eine dezidierte Meinung vorhanden ist.
Ein in Management-Audits/Assessment-Verfahren häufig zu Anwendung kommendes Beurteilungsmodul, welches es erlaubt, den individuellen, wissens- bzw. erfahrungsbedingten Zugang zu wesentlichen „Kernprozessen von Management und Führung“ beobachtbar und bewertbar zu machen. Der Teilnehmer bekommt hierzu, mehrheitlich in Papierform, teilweise auch in elektronisch gestützter Form die Situation eines Unternehmens zur Verfügung gestellt. Dies geschieht häufig dergestalt, dass er gebeten wird sich vorzustellen, dass er eine neue Aufgabe in einem neuen, bisher nicht genauer bekannten Unternehmen angenommen hat (was in dieser Form so in der Realität nicht vorkommt), um sich dann in durchaus kurzer, knapper Zeit einen möglichst differenzierten Überblick a) zur allgemeinen Situation und b) zu spezifischen, operativen Herausforderungen zu verschaffen (was in der Realität im Zusammenhang mit der Übernahme einer neuen Funktion in gewisser Weise üblich ist). Typischerweise gibt es keine Ideallösung, vielmehr gilt es getreu dem Motto „Viele Wege führen nach Rom“ den individuellen Zugang kennen zu lernen, um im Anschluss an eine Ergebnispräsentation und -diskussion gemeinsam mit dem Teilnehmer den Brückenschlag in die Realität vorzunehmen. „Wie gehen Sie in vergleichbaren Situationen vor?“, „Wie würden Sie die Aufgabe bearbeiten, wenn Sie ein zweites Mal hierzu Gelegenheit hätten?“, „Was sagt das über Sie?“. Das sind Fragen, die zum Ende gemeinsam mit dem Kandidaten diskutiert werden. Unabhängig hiervon bietet sich mit einer Fallstudie im Format eines Management-Audits eine sehr gute Möglichkeit, wesentliche Anforderungskriterien beobachtbar und bewertbar zu machen, die sich nur schwer, oder zumindest nur mit geringerer face-validity (Verlinkung) über andere Beurteilungsmodule erfassen: Analysevermögen im Sinne von Schnelligkeit der Informationserfassung und -verarbeitung, Komplexitätsreduzierung, aber auch strategisches Denken und Handeln sowie Entscheidungsverhalten, Risiko- und Umsetzungsorientierung.
Früher hat sich Management Diagnostik stark darauf kapriziert zu verhindern, dass vermeintlich geeignete Kandidaten sich im Nachhinein als nicht geeignet herausstellen. Verbunden war bzw. ist hiermit eine stark auf Defizite ausgerichtete Management Diagnostik, die sich z. T. auch heute noch in der Geisteshaltung der durchführenden Beurteiler findet. Wenn eine große Zahl an potentiellen Bewerbern bzw. Kandidaten zur Verfügung steht, ist gegen diese Methode auch etwas weniger einzuwenden, als Zeiten knapper Ressourcen, die die Gegenwart charakterisieren. Jetzt gilt es also die Perspektive zu wechseln und stärker aus einem Selbstverständnis heraus zu agieren, welches bedeutet, die Zahl nur vermeintlich nicht geeigneter, „in Wahrheit“ bzw. eigentlich geeigneter Kandidaten möglichst gering zu halten. Dass in diesem Kontext zudem mehr auf entwickelbare Potenziale als bis dato nachweisbare Leistungen und Erfolge bzw. vorhandene Kompetenzen zu achten ist, versteht sich vor diesem Hintergrund schnell.
Die Eignung (in diesem Sinne „Güte“) von Testverfahren, die in der Management-Diagnostik zum Einsatz kommen bemisst sich anhand definierter und breit akzeptierter Kriterien (vgl. “Objektivität“, „Reliabilität“, „Validität“). Vor diesem Hintergrund kann die Brauchbarkeit bzw. Nützlichkeit von verschiedenen Beurteilungsinstrumenten insbesondere dann relativ gut eingeschätzt werden, wenn die Anbieter entsprechender Verfahren diesbezügliche Forschungsergebnisse öffentlich machen. Testverfahren, bei denen es z. B. keine oder offensichtlich nur tendenziöse oder auch nur ungewöhnlich positive bzw. bestätigende Forschungsergebnisse gibt, sollten mit großer Vorsicht behandelt werden.
Im Rahmen von Auswahl- und Bewertungsprozessen kommen unterschiedliche Interview-Verfahren zum Einsatz: vom vollkommen durchstrukturierten Verfahren, in dem jede Frage vorgegeben ist, über das teilstrukturierte bis hin zum völlig freien, beliebig wirkenden, explorativen Verfahren. Jede Variante hat – abhängig von der jeweiligen Zielsetzung – ihre Berechtigung. In klassischen Management-Audit-Verfahren findet sich meistens ein teilstrukturiertes Interview, welches in vergleichsweise hohem Maße auch explorative, quasi Hypothesen generierende Passagen beinhaltet. Sehr häufig wird zu Beginn eines Interviews der Teilnehmer gebeten, in einer definierten Zeit einen Überblick zur bisherigen beruflichen Biografie zu geben. Sodann folgen Fragen zu ausgewählten Erfahrungsschwerpunkten, dann der Blick auf die Gegenwart (z. B. im Zusammenhang mit der Frage nach den Beweggründen für das aktuelle Interesse an der ggf. in Frage stehenden Position), dann der Blick in die Zukunft und die hiermit verbundenen Vorstellungen. Oft erfolgt eine Abrundung mit abschließenden offenen Fragen zu Bereichen, die aus der Perspektive des Teilnehmers wichtig sind.
Der Terminus „competency bzw. Kompetenz“ hat sich im internationalen bzw. deutsch-sprachigen Raum als Sammelbegriff für Fähigkeiten, Fertigkeiten, teilweise auch Einstellungen und Werthaltungen (allerdings abgegrenzt vom Konstrukt „Erfahrung“) etabliert, um relevante Anforderungen, die mit der erfolgreichen Erfüllung einer Aufgabe verbunden sind, zu beschreiben. In den seltensten Fällen handelt es sich um distinkte, klar von anderen Kompetenzen abgrenzbare Konstrukte, vielmehr finden sich im Pool der in Anwendung befindlichen Kriterien zahlreiche Überschneidungen, teilweise Doppelungen oder einfach nur unterschiedliche Bezeichnung für quasi identische Konstrukte (vgl. „Einfühlungsvermögen“ vs. „Empahtie-Kompetenz“). Auch ist der Abstraktionsgrad sehr unterschiedlich (vgl. Sozialkompetenz vs. Überzeugungskraft). Auf der Ebene der größtmöglichen Konkretisierung finden sich bereits sog. „Verhaltensanker“. Die Zusammenstellung unternehmens- oder funktions (-gruppen)-spezifischer Kompetenzen erfolgt typischerweise im Rahmen eines Kompetenzmodells.
Die Zusammenstellung unternehmens- oder funktions(-gruppen)-spezifischer Kompetenzen erfolgt typischerweise im Rahmen eines Kompetenzmodells. Dabei kann auf eine prinzipiell unbegrenzte Anzahl möglicher Kompetenzen zurückgegriffen werden. In der Praxis finden sich mehr oder weniger 80 – 100 einigermaßen sinnvolle, voneinander abgrenzbare Konstrukte. Ein Kompetenzmodell ist für die Praxis dann tauglich, wenn es zum einen die aus der Unternehmensstrategie abgeleiteten Anforderungen und zum anderen die für die relevante Funktion bzw. die Funktionsgruppe/job-family relevanten Kriterien repräsentiert. Sehr häufig besteht ein Interesse, die „Uniqueness“ des Unternehmens (orientiert an den Bemühungen um die „unique selling proposition (USP)“ im Sinne einer „unique competency proposition“ zusammen zu stellen. Das Resultat sind dann häufig für Marketingzwecke geeignete, für Personalentwicklungs-, d. h. Auswahl- und Entwicklungsprozesse auch aufgrund der Wortkreationen aber eher weniger geeignete Zusammenstellungen von Kompetenzen. Dies soll nicht bedeuten, dass unternehmensspezifische Kompetenzmodelle generell abzulehnen sind. Es tut jedoch häufig Not dafür zu sorgen, dass tatsächlich sinnvolle Konstrukte zumindest „unter der Marketing-Oberfläche“ enthalten sind.
In welchem Ausmaße wird das, was man testen bzw. messen will, tatsächlich gemessen. Messen wir mit einem computergestützten Verfahren die mit dem Testverfahren verfolgte Analysekompetenz oder vielmehr die Affinität des zu Beurteilenden im Umgang mit Computern? Das ist eine der Fragen, die geklärt werden muss, um sicher zu stellen, dass man mit einem Testverfahren tatsächlich das erfasst, was man zu erfassen intendiert.
Eindeutige und unzweifelhafte Ursache-Wirkungs-Verhältnisse lassen sich nicht nachweisen. Deshalb muss auch in der Beurteilung von Wahrscheinlichkeitszusammenhängen ausgegangen werden. Das Ausmaß des Zusammenhangs von verschiedenen Ausprägungen wird über den Korrelationskoeffizienten ausgedrückt, der zwischen -1.0 und +1.0 variiert. Bei einem perfekt positiven (bzw. negativen) Zusammenhang ist der Korrelationskoeffizient +1.0 (bzw. -1.0), findet sich kein Zusammenhang ist der Korrelationskoeffizient 0.0. In der Management Diagnostik besteht das wesentliche Interesse daran, solche Variablen zu identifizieren, mit denen beruflich relevantes, erfolgreiches zukünftiges Verhalten vorher gesagt werden kann. Je höher die Korrelation zwischen den Variabelen ist, um so besser gelingt diese Ableitung.
Das Management Appraisal (vgl. auch “Management Audit“, “Einzel-Assessment“) kann zur Gruppe bzw. „Familie“ der auf der Assessment-Center-Methode basierenden Beurteilungsverfahren gezählt werden. Der terminus technicus hat sich seit Mitte der 90er Jahre etabliert. Es finden sich zwei verschiedene definitorische Zugänge: Er wird verwendet entweder, wenn es um die Beurteilung einer größeren Gruppe von Führungskräften/Managern geht, bei denen entweder individuelle und dann in aggregierter Form die in dieser Gruppe vorhandenen Kompetenzen in Relation gesetzt werden zu veränderten, zukünftig relevanten Anforderungen oder zu Ausprägungen einer Vergleichsgruppe (hier findet sich der nachvollziehbare Wunsch nach externen Benchmarks). Der zweite Zugang reflektiert auf die Zielgruppe: so wird häufig dann von Management Appraisals gesprochen, wenn es um die Beurteilung von tatsächlichen bzw. vermeintlichen Top-Führungskräften geht und weniger mit dem „klassischen“ Assessment-Center in Verbindung gebrachte „Rollenspiele, Gruppendiskussionen“ im Fokus stehen, sondern die –Methode „Interview“. Letztendlich hängt die Qualität eines Management Audits, wie andere Assessment-Verfahren auch, ab von der Prozessgestaltung (vgl. hierzu auch DIN 33 430) und sicher auch, aber nicht ausschließlich, von der Erfahrung und Kompetenz der durchführenden Beurteiler.
Im deutschsprachigen Europa hat sich seit Mitte der 90er Jahre der im englischsprachigen Ausland häufig unbekannte – terminus „Management Audit“ etabliert. An dieser Stelle wird empfohlen, ihn mit dem terminus //Management Appriasal//gleich zu setzen, der auch im internationalen Kontext eindeutiger verankert ist. Weitere Ausführungen hierzu dort (vgl. //Management-Appraisal//). Unabhängig hiervon sei die Einschätzung erlaubt, dass die Namensgebung am Ende weniger entscheidend ist als die Durchführungsqualität. Mit Blick auf einen etablierten und akzeptierten Wortgebrauch können bzw. müssen in der Praxis selbstverständlich Anpassungen möglich sein.
„Objektivität“ bildet ein wesentliches Gütekriterium und beschreibt das Ausmaß, mit dem ein Testergebnis unabhängig ist von der Person desjenigen, der den Test durchführt, auswertet und interpretiert. So sind qua Schablone auswertbare Verfahren relativ objektiv (vgl. z. B. klassische „Intelligenz-Tests“ oder per DV/Web-Applikation vorgegebene und ausgewertete Testverfahren, Verfahren, in denen der oder die durchführenden und auswertenden Beurteiler viele Einflussnahmemöglichkeiten schon bei der Durchführung haben (vgl. Fallstudien oder Rollenübungen) demgegenüber vergleichsweise weniger objektiv.
Die Bewertung (bisheriger) Leistung (z. B. operationalisiert über Zielerreichung), (aktuell vorhandener) Kompetenz (wie sie sich in konkreten und für die Zielfunktion repräsentativen Arbeitsproben zeigt) erlaubt eine Vorhersage auch zukünftigen Verhaltens bzw. zukünftigen Erfolgs. Dieser Tatsache entspricht man in Diagnostik-Prozessen typischerweise, indem die persönliche und berufliche Biographie (ggf. unter Hinzuziehung von Referenzen) z. B. im Interview sowie konkretes Verhalten in entsprechenden Arbeitsproben behandelt. Die Vorhersage zukünftigen Verhaltens bzw. zukünftigen Erfolgs kann in diesem Zusammenhang unterstützt werden, indem besonders vorhersagestarke (prädiktive) Variablen in besonderer Weise fokussiert werden. Dies können zum einen in bzw. für die jeweilige Organisation bzw. Zielfunktion besonders relevante, erfolgsentscheidende Kompetenzen (in diesem Sinne auch Einstellungen, Überzeugungen, Persönlichkeitsausprägungen/Charakteristika, aber auch Erfahrungswerte) sein. Darüber hinaus empfiehlt sich die Berücksichtigung generell als besonders prognosestark identifizierte Variablen (oftmals „Potenzialindikatoren“ oder „-treiber“ genannt) besonders hoch zu gewichten: es sind analytische, kognitive Fähigkeiten, die Lernbereitschaft und -fähigkeit sowie – insbesondere für Führungsfunktionen relevant – der Gestaltungs- oder auch Machtanspruch. Diese Variablen spielen insbesondere dann eine große Rolle, wenn aufgrund bisher fehlender Erfahrung (z. B. bei Berufseinsteigern) nur eine eingeschränkte Erfassung und Beurteilung bisheriger Leistung möglich ist, oder wenn die aktuellen Kompetenzen mehrheitlich eher schwach ausgeprägt bzw. noch gar nicht vorhanden sind. Gerade diejenigen „Talente“ oder „hidden champions“ zu identifizieren, die aktuell zwar noch über keine oder erst eine sehr geringe Kompetenzausprägung verfügen, dafür aber das Potenzial vorweisen, diese Kompetenzen kurzfristig zu entwickeln, bildet eine der zentralen Herausforderungen in Zeiten knapper Ressourcen.
Die Reliabilität beschreibt das Ausmaß an „Zuverlässigkeit“, mit der ein Merkmal erfasst wird. Das Ausmaß an Reliabilität versucht man z. B. über den Vergleich der Beurteilungen zwischen verschiedenen Beurteilergruppen (sog. „Interrater-Reliabilität“) oder über Messwiederholungen (sog. „Retest-Reliabiliät“) oder über vergleichbare Messungen (sog. Paralleltest-Reliabilität) zu erfassen. Per se sind solche Verfahren besser, die die höchste Reliabilität vorweisen, allerdings nur dann, wenn sie auch das intendierte Konstrukt erfassen (vgl. Konstruktvalidität) und dieses Konstrukt erfolgsrelevant ist (vgl. Kriteriumsvalidität).
Oft findet sich in diesem Kontext auch der terminus „Rollenspiel“. Der soll hier jedoch nicht verwendet werden. Vielmehr handelt es sich bei diesem Beurteilungsformat um eine Arbeitsprobe mit Hilfe derer der Kandidat die Möglichkeit bekommt, vorhandene Verhaltenskompetenzen bzw. seinen persönlichen Zugang zu erfolgsentscheidenden Situationen im kommunikativ-zwischenmenschlichen Bereich zu dokumentieren. Eine solche Übung ist immer in gewisser Weise artifiziell. Über verschiedene Variablen lässt sich hierbei das nie vermeidbare Ausmaß an Künstlichkeit reduzieren bzw. relativieren: so ist z. B. die Einbettung der Situation in das übergeordnete Szenario der Fallstudie, der Einsatz professioneller Gesprächspartner, die an dieser Stelle bewusst nicht „Rollenspieler“ genannt werden sollen, eine umfangreiche Herleitung des Gesprächsanlasses, so dass der Teilnehmer sich gut in des Szenario hineinversetzen kann und möglichst wenige, auf die Künstlichkeit der Situation zurück zu führende Unsicherheiten bleiben. (Als Negativbeispiel finden sich in manchen Kontexten z. B. kurze knappe Teilnehmerinstruktionen, die zudem auf eine lange, de facto aber nicht vorhandene gemeinsame Geschichte und entsprechende Vorerfahrungen zwischen den jeweiligen Protagonisten verweisen). Die für ein „gutes“ Testverfahren unbedingt notwendige, höchstmögliche Objektivität und dann auch Reliabilität gilt es über erfahrende Berater sicher zu stellen. Dabei kommt dem Berater darüber hinaus die entscheidende und sehr verantwortliche Bedeutung zu, über eigenes Agieren und in Bezug auf das zugrunde liegende Anforderungsprofil dem Teilnehmer die Möglichkeit zu bieten, geforderte Kompetenzen unter Beweis stellen zu können. Hierzu hat er die Aufgabe, über eigenes Verhalten unter Berücksichtigung des Teilnehmerverhaltens verschiedene Konstellationen und in der Regel sukzessive zunehmende Schwierigkeitsgrade bzw. Komplexitätsstufen zu gestalten.
Letztendlich stellt jeder systematische Versuch, eine Verhaltensäußerung zu evozieren einen Test dar. Eine Frage in einem Interview stellt also einen Test dar. Aber auch eine Rollenübung oder – und an diesem Beispiel soll deutlich gemacht werden, dass es gute und weniger gute Tests gibt – auch die Bitte um Abgabe einer Schriftenprobe. Gute bzw. sinnvolle Testverfahren sind in der Management-Diagnostik solche, die auf Basis des Testergebnisses eine letztendlich gültige (valide) Beurteilung ermöglichen, indem (vgl. Gütekriterien) objektiv, reliabel und valide gemessen, beurteilt und schließlich prognostiziert werden kann.
Der Definition des TBS-TK (Testbeurteilungssystems des Testkuratoriums (TK) der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen folgend), hat „… der Begriff „Test“ … in der Psychologie und erst recht in der nicht psychologischen Öffentlichkeit eine sehr weit gefasste Bedeutung: Er wird praktisch für alle psychologisch-diagnostischen Verfahren, die beim psychologischen Diagnostizieren eingesetzt werden, benutzt. Obwohl ein psychologischer Test im engeren Sinne nur eine besondere Untergruppe solcher psychologisch-diagnostischer Verfahren darstellt, soll die Bezeichnung »Test« … als Oberbegriff gelten: Es sind also neben Intelligenz- und allgemeinen Leistungstests insbesondere Persönlichkeitsfragebogen, Objektive Persönlichkeitstests sowie Projektive Verfahren, aber auch standardisierte Interviews sowie Erhebungsverfahren zur Arbeitsplatzanalyse gemeint“ (vgl. TBS-TK Testbeurteilungssystem desTestkuratoriums der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen, Stand und Perspektiven, Fassung vom 28.9.06).
Das Gütekriterium „Validität“ beschreibt das Ausmaß, in dem dasjenige Kriterien, welches man testen, messen und beurteilen will, tatsächlich gemessen wird (sog. „Konstrukt-Validität“) bzw. in welchem Maße eine Vorhersage zukünftigen Verhaltens möglich ist (sog. „ Kriteriumsvalidität“). Eine absolut sichere, alle Risiken ausschließende Prognose zukünftigen Erfolges allein „nur“ über die Auseinandersetzung mit den Kompetenzen und Potenzialen eines möglichen Stelleninhabers ist – glücklicherweise – nicht möglich. Auch wenn über die Berücksichtigung wesentlicher Umgebungsfaktoren (das Team, der Markt, die Branche etc.) weitere Validitätszugewinne realisiert werden können, bleibt die Welt so komplex, dass sich Zukunft nicht „einfach“ oder „nur“ durch die Identifizierung und Beurteilung relevanter Kompetenzen handelnder Personen vorhersagen ließe…
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